Adiga, Aravind: Amnestie

Danny ist ein Tamile und stammt aus Batticaloa, einer Stadt am Golf von Bengalen im Osten von Sri Lanka.

Seit vier Jahren ist er in Sydney/Australien.

Er versucht unsichtbar zu sein und sich maximal anzupassen, denn er ist ein illegaler Einwanderer.

Er wohnt im Lagerraum eines Supermarkts und verdient seinen Lebensunterhalt als Putzmann.

Seit über einem Jahr ist er mit der Krankenschwester Sonja, einer veganen Vietnamesin, liiert.

Sie hat eine Wohnung in Parramatta, einem multikulturellen, lebhaften und aufstrebenden Bezirk in Sydney und Danny hofft darauf, dass sie ihm anbietet, in ihr Gästezimmer zu ziehen.

Mit Beginn der Geschichte begleiten wir Danny auf seinem Weg zur Arbeit in ein Wohngebäude in der Flora Street Nr. 36, das sich in einem Vorort von Sydney befindet.

Während er die Wohnung des Anwalts Daryl putzt, erfährt er von drei Polizisten, dass im Gebäude gegenüber eine Frau ermordet worden ist.

Schon bald wird ihm klar, dass er die Frau kennt. Es ist bzw. war Radha, für die er fast zwei Jahre lang jeden Dienstagmorgen geputzt hat. Sie war 43 Jahre alt und arbeitete einst bei der staatlichen Krankenversicherung Medicare. Und jetzt war sie tot.

Sie wurde am Ufer eines Flusses erstochen aufgefunden.

Danny muss immerzu an sie denken. Die Sache lässt ihn nicht los.

Radha.

Ermordet.

Hat Dr. Prakash etwas damit zu tun?

Dr. Prakash, ein eigenartiger Mann, der viel getrunken und gespielt hatte, war Radhas heimlicher Liebhaber. Auch seine Wohnung hat Danny geputzt. Immer mittwochs.

Radha und Dr. Prakash hatten viel gestritten.

Radha hat auch noch einen Ehemann: Mark, den reichen Immobilienmakler.

Danny steckt von jetzt auf gleich in einem Dilemma: Soll er zur Aufklärung des Mordes beitragen, sich an die Polizei wenden und sagen, dass er die Ermordete gekannt hatte oder soll er sich lieber zurückhalten, weil er ja illegal in Australien lebt.

Der Montag, an dem die Geschichte spielt, wird minutiös erzählt.

Da es immer äußerst kurze Kapitel sind, die mit der jeweiligen Uhrzeit überbeschrieben sind, liest sich das Buch zügig.

Es wird dabei nicht nur die Gegenwart beschrieben, sondern wir erfahren in Rück- und Seitenblicken auch viel Anderes aus dem Leben von Danny.

Eine weitere Besonderheit neben den mit der genauen Uhrzeit überschriebenen Kapiteln ist das sich regelrecht aufdrängende Gefühl, zusammen mit Danny durch die Straßen Sidneys zu streifen und dabei intensiv in seine Gedanken- und Gefühlswelt einzutauchen.

Man spürt durchgehend seine Ambivalenz zwischen dem Pflichtgefühl, zur Polizei zu gehen und der durch Angst vor Bestrafung ausgelösten Hemmung, dies zu tun.

Und über allem liegt eine gewisse Bedrohlichkeit. Doktor Prakash!

Der außergewöhnlich konstruierte und erzählte Roman hat mich gut unterhalten, aber nicht gefesselt. Die Geschichte an sich ist äußerst originell und ich bin begeistert vom Talent des Autors, die Stadt, ihre Orte und Lebewesen zu beschreiben. Alles, Geschehnisse, Szenen, Gebäude, Menschen und Tiere, erwacht zum Leben. Man sieht es vor sich und ist mittendrin.

Und trotzdem, leider, hat mich der Plot nicht völlig mitgerissen.

Der Roman ist lesenswert, aber das „gewisse Etwas“ fehlt.

3,5/5⭐️

🇦🇺

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