Meine Gedanken zur Afrika – Trilogie von Chinua Achebe.
Sie besteht aus „Alles zerfällt“, „Heimkehr in ein fremdes Land“ und „Der Pfeil Gottes“.
Die Romane spielen in Nigeria und beginnen Ende des 19. Jh.
Wir lernen Okonkwo, seinen Enkel Obi und den Oberpriester Ezeulu, sowie ihre Familien und Geschichten kennen.
In „Alles zerfällt“ geht es um den ersten Kontakt des Igbo – Volkes mit der Kolonialmacht Großbritannien. Die Spannungen zwischen dem kulturellen Wandel und dem konservativen Beharren werden v. a. von Obierika und Okonkwo verkörpert.
Okonkwo verachtet und schämt sich für seinen in seinen Augen erfolglosen, schwachen und feigen – kurz: unmännlichen – Vater und wird reaktiv zum furchteinflössenden, dominanten, impulsiven, mächtigen, rastlosen und aggressiven Kämpfer, der sich über Leistung, Fleiß, Erfolg und Stärke definiert und sämtliche Gefühle als „weibisch“ entwertet. Obierika ist weicher und bringt alternative Sichtweisen ein.
Der Roman begeisterte mich.
Achebe ist ein begnadeter Erzähler und erinnerte mich in seiner Erzählkunst an Rafik Schami.
Es war, als würde man an einem gemütlichen Ort sitzen und eine fesselnde und hochinteressante, teils schockierende Geschichte erzählt bekommen.
Ich konnte in den Alltag der Igbo eintauchen und reagierte immer wieder mit
Staunen, Verwunderung oder sogar Entrüstung auf das, was ich las.
Aberglaube, Götter und Geister, Mythen, Bräuche, Rituale und Zeremonien – über all das erzählt Achebe mit einer einfachen, leicht verständlichen, bildhaften, eindrücklichen und poetischen Sprache.
Ist dieser Satz z. B. nicht wunderschön: „Zwei bis drei Monde lang hatte die Sonne an Macht zugenommen, bis ihr Atem wie Feuer die Erde bestrich.“?
„Heimkehr in ein fremdes Land“ spielt in den 1950er Jahren und im Mittelpunkt steht Obi, der Enkel Okonkwos, dem es mit Hilfe eines Stipendienprojekts seines Heimatdorfes ermöglicht wurde, in England zu studieren.
Nach 4 Jahren Studium kehrt er nach Nigeria zurück, findet eine Anstellung im Staatsdienst in Lagos… und steuert schnurstracks in eine ihn lähmende Lebenskrise.
Schon ganz zu Beginn erfahren wir, dass Obi der Versuchung nicht widerstand, sich bestechen zu lassen. Wie es dazu kam, wird uns in den folgenden 179 Seiten erzählt.
Die Fäden aus denen dieser Teil gestrickt wird, heißen v. a. Bestechlichkeit, Geld und Heirat mit einer Frau aus einer verbotenen Kaste.
Es geht um innere Zerrissenheit, Zugehörigkeit, Rebellion, Widersprüchlichkeit, die Macht von Sitten, Bräuchen und fam. Bande trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen und persönlicher Weiterentwicklung.
Immer wieder nimmt Achebe Bezug auf den ersten Teil, so dass die beiden Teile verbunden werden und ich mich über das Wiedererkennen freute.
Rückblicke wechseln sich mit dem Alltag in der Gegenwart ab und machen den Roman auf diese Weise sehr abwechslungsreich, spannend und fesselnd. Wie der erste Teil war auch dieser sehr berührend. Einfach toll!
Den dritten Teil „Der Pfeil Gottes“ mochte ich am wenigsten. Aber nichtsdestotrotz ist er lesenswert. Zeitlich gesehen schließt er an den ersten Teil an, in der Trilogie ist er jedoch der letzte Teil.
Es geht hier um das konflikthafte Aufeinandertreffen der Igbo – Stämme und Kolonialherren am Beispiel des Oberpriesters Ezeulu, seiner Familie und seinem Dorf.
Phasenweise und v. a. zu Beginn ist diese Geschichte z. T. verwirrend und eher zäh zu lesen. Bis zum Schluss konnte ich nicht wirklich in die Geschichte eintauchen, obwohl ich nie ernsthaft daran dachte, die Lektüre abzubrechen. Dafür war sie zu interessant. Die Gründe für die o. g. Schwierigkeit sind wohl die Vielzahl an afrikanischen Namen und Göttern, die Fülle an Geschichten und die Dichte des Inhalts.
Hilfreich zu wissen: Ein Stammbaum und das Glossar am Ende erleichtern das Verständnis, auch wenn man viel blättern muss.
Erneut erfahren wir viel über Mythen, Götter, Bräuche und Aberglauben. Das ist durchaus interessant, aber in diesem Teil mühsamer zu lesen und nachzuvollziehen als in den beiden anderen Büchern.
Unter den zahlreichen Aphorismen sind einige, die mich sehr faszinieren, z. B. „Wenn kein Wind bläst, können wir den Rumpf unseres Federviehs nicht sehen.“
Es fanden sich auch wunderbar formulierte Weisheiten, wie :„Die Angst, Anstoß zu erregen, veranlasst die Menschen, Gift zu schlucken.“
Interessant zu erkennen fand ich auch, dass bestimmte Ängste und Überzeugungen von damals und dort auch heute und hier noch eine Rolle spielen. Z. B.: „Aber sie sprachen nie darüber. Denn da das ausgesprochene Wort die Kraft hatte, die Furcht in eine lebendige Wahrheit zu verwandeln, wagten sie nicht davon zu reden, bis sie dazu gezwungen waren.“
Was mich beeindruckte, war die bildhafte Ausdrucksweise der Igbo und was mir hier sehr gefiel, war, dass Achebe wiederum einen sehr lebendigen und interessanten Einblick in Familienleben und Alltag der Igbo gab und dass hier erstmals auch den Kolonialherren und deren Haltungen einige Kapitel gewidmet wurden. Das Aufeinandertreffen der beiden Seiten wurde auf diese Weise besonders lebendig und kontrastreich gezeigt.
Ich möchte die Trilogie allen gern ans Herz legen, die Interesse an Afrika/Nigeria, am Wandel Afrikas/Nigerias und am Kolonialismus haben… und das aus afrikanischer Sicht.
Chinua Achebes Trilogie ist unterhaltsam, interessant und erweitert den Horizont.