Fosnes Hansen, Erik : Ein Hummerleben

Der Niedergang eines traditionsreichen, renommierten Berghotels.
Eine verschwundene Mutter.
Ein unbekannter Vater.
Sedd, ein Teenager mit einem exotischen Äußeren.
Ein verriegeltes Zimmer.
Dutzende versteckter und ungeöffneter Briefe.
Ein Tabu.
Und noch ein Tabu.
Ein Geheimnis lüftet sich tröpfchenweise und auch das andere kommt ans Tageslicht.

Bereits das erste Kapitel schaffte es, mich zu fesseln. Der erste Satz und ZACK war ich mittendrin.

Der Roman beginnt mit dem Ableben des Bankdirektor Berges beim Abendessen im Berghotel Fåvnesheim hoch oben im norwegischen Fjell in den 1980er Jahren.

Sedd, der dort bei seinen Großeltern aufwächst und sich je nach Bedarf als Page, Laufbursche, Küchenhilfe, Reiseführer oder Schwimmlehrer nützlich macht, versucht vergeblich, ihn zu reanimieren.
In der darauf folgenden Nacht fällt er in einen erschöpften Schlaf und träumt. Er träumt von Erling Skakke. Wer das ist? Ein einscheriger Hummer, der im Aquarium der Hotelküche lebte, bevor der Großvater ihn verzehrte.

Sedd ist ein frühreifer, kluger, braver, höflicher und vernünftiger Teenager, der seine Eltern niemals kennengelernt hat – zu lesen, dass er einmal ungehorsam ist und auch mal lügt, ist geradezu erleichternd.

Schon bald lernen wir Sedd‘s Großmutter Sisi kennen- eine warmherzige und hysterisch-ängstliche Wienerin, die immer wieder Backanfälle hat und ihr Umfeld dann mit österreichischen Mehlspeisen verwöhnt.

Dann ist da noch der fürsorgliche, disziplinierte und tüchtige Großvater, der versucht, das Hotel mit einem Hochzeitspaket am Leben zu erhalten.

Und nicht zu vergessen, der wortkarge, ausgeglichene, pflichtbewusste und ambitionierte Koch Jim, ein ehemaliger Seefahrer, der ständig Flüche auf den Lippen hat und Sedd haltgebender Vater, fürsorgliche Mutter und treuer Freund ist.

Es ist einfach phantastisch, wie der Autor es schafft, einen gewaltigen Spannungsbogen zu erzeugen.
Anfangs wird der Leser geradezu leichtfüßig, beschwingt und dynamisch durch das Geschehen geführt, das aus der Sicht des Ich-Erzählers Sedd geschildert wird.
Die ruhige und geduldige Erzählweise steht dabei ganz im Gegensatz zum rasanten Abstieg und Niedergang des Hotels. Erst im letzten Drittel ändern sich Ton und Tempo. Das Unheil wird spürbarer. Es wird melancholisch und beklemmend, während es anfangs noch oft humorvoll und zum schmunzeln war.

Der Leser bekommt zunächst einen Einblick in Sedd‘s unbeschwerte Kindheit. Ein Aufwachsen in liebevoll-strenger Atmosphäre, eingebettet in die Zuneigung von Großmutter, Großvater und Jim.

Aber durch Andeutungen und einschneidende Ereignisse erhält man eine Ahnung davon, dass etwas Unheilvolles lauert. Andeutungen, wie Rückgang der Gästezahlen, weniger Hochzeiten und Geldknappheit. Es geht bergab mit dem Hotel, das schon den Vorvätern des Großvaters gehört hatte und das Sedd als Erbe einmal übernehmen soll.

Der Autor beschreibt und seziert unterschiedliche Situationen so detailliert und wunderbar, dass man sie einfach nur genießen kann. Zum Beispiel einen Ausflug Sedd’s mit seinem Großvater nach Oslo. Herrlich!
Und als er die Geschäftigkeit und Hektik in der Küche beschreibt, eilt man aufgeregt, gespannt und gebannt durch die Seiten.

Ein bisschen ärgerlich ist es, recht viele Grammatik- und Rechtschreibfehler entdecken zu müssen. Da sind vertauschte Buchstaben, dann fehlen welche oder es sind einige zu viel.
Aber das ist Klagen auf hohem Niveau.

Der Roman ist toll!

5/5⭐️

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