Bjørnstad, Ketil: Die Unsterblichen

Ketil Bjørnstad beschreibt den Alltag einer heutigen norwegischen Mittelstandsfamilie aus Oslo aus der Sicht des Ende 50-jährigen verheirateten Arztes und zweifachen Vaters Thomas Brenner. Eigentlich hat er sich sein Dasein in dieser Phase des Lebens anders vorgestellt: Entspannter und unabhängiger.
Stattdessen spitzt sich alles zu und die Sorgen um seine unselbständigen Töchter, gebrechlichen Eltern und hilfsbedürftigen Schwiegereltern holen ihn ein. Und dann kommen auch noch gesundheitliche Probleme dazu.
Um das psychisch auszuhalten, helfen ein ausstehender Verdienstorden und eine anstehende Familienreise nach Chicago auch nicht wirklich.

Ich bin ziemlich hin- und hergerissen, was mein Gefühl und meine Meinung zu dem Roman betrifft.
Ich habe ihn in kürzester Zeit gelesen, weil er mich durchaus interessiert und gefesselt hat. Ich dachte keine Sekunde daran abzubrechen, denn Ketil Bjørnstad seziert die melancholische und zwänglerische Gedankenwelt von Thomas Brenner scharfsinnig und detailliert. Die geschilderten Probleme sind lebensnah. Dass sie alle mehr oder weniger gleichzeitig in ein und derselben Familie auftreten, kann sein, ist aber vielleicht doch etwas zu unrealistisch.
Ich bekam, meine ich, einen guten Eindruck von einer Facette Norwegens. Die vom Autor aufgeführten Gedanken zum Zeitgeist sind allgemeingültig für die Industrieländer und laden zum Innehalten und zur geistigen Auseinandersetzung ein.

Die andere Seite der Medaille ist, dass es ein sehr melancholischer, düsterer und pessimistischer Roman ist. Spaß scheint das Leben um die 60 nicht mehr zu machen. Ein grauenhafter Ausblick, wenn man dieses Lebensalter noch vor sich hat. Aber mich haben der negative Ausblick und die Stimmung nicht angesteckt. Im Gegenteil. Man kann daraus auch den Schluss ziehen, Vieles rechtzeitig anders zu machen.

Unterm Strich hat mir der Roman gefallen und ich kann ihn durchaus empfehlen. Im Anschluss sollte man sich aber vielleicht etwas leichtere Kost gönnen.

3/5⭐️

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