Das Buch hat m. E. ein etwas mädchenhaft-romantisches, fast kitschiges Cover, das in die Irre leitet und dem Inhalt nicht gerecht wird.
Die Geschichte, am ehesten vllt. eine Mischung aus Parabel und Kurzgeschichte, spielt im gegenwärtigen Japan. Ein 30jähriger Briefträger bekommt eine tödliche Diagnose: Hirntumor. Er gerät in Panik und lässt sich auf einen Pakt mit dem Teufel ein: jeder weitere Tag zu leben kostet einen Gegenstand. Dieser Gegenstand, der vom Teufel bestimmt wird, verschwindet dann von der Welt. Anfangs und solange es nur „Zeitfresser“ betrifft, kann der Postbote dem Verschwinden mehr oder weniger leicht zustimmen, aber dann…
Was diesen „Strang“ der Geschichte anbelangt, ich nenne ihn „die Rahmenhandlung“, gibt es viele skurrile und humorvolle Momente, in denen man sich wundert, die Stirn runzelt oder schmunzelt. So witzig und spritzig ich den Aufhänger mit dem Teufelspakt finde, so wenig mochte ich die umgangssprachlichen, lässigen Dialoge mit ihrem schlichten Wortschatz.
In diesem „Strang“ hatte ich oft den Eindruck, einen erhobenen moralischen Zeigefinger zu erblicken. Die Botschaft war mir oft zu deutlich, zu klar, zu erzieherisch, oder anders herum: zu wenig literarisch „verpackt“. Die didaktische Absicht war mir zu offensichtlich.
Deshalb war ich, was diesen „Strang“ anbelangt, eher unbeeindruckt bis abgeneigt.
Ganz anders ging es mir mit dem anderen „Strang“, den der Autor aus der Rahmenhandlung heraus entwickelte. Es handelt sich hierbei um Rückblenden.
Genki Kawamura erzählt hier sehr berührend, so dass ich in die Erinnerungen des Postboten eintauchen konnte und manchmal richtig traurig wurde. Im Verlauf wird es immer tiefgründiger; es geht u. a. um Trauerverarbeitung und Versöhnung.
Das Buch ist schon insofern für mich sehr interessant, als dass es mich sehr ambivalent zurücklässt. Es gab diese Rahmenhandlung mit ihrer witzigen Idee, aber der m. E. zu banalen Umsetzung und es gab diesen anderen zunehmend tiefgründigen und berührenden Teil, in dem man den Postboten näher kennenlernte.
Es ist letztlich bemerkenswert, welche Tiefe und welchen Ernst die Geschichte trotz ihrer Kürze und trotz dieser eher leichtfüßig daherkommenden Rahmenhandlung hat.
Vielleicht hat der Autor genau diese Wirkung beabsichtigt? Wer weiß es?
Was ich auf jeden Fall betonen möchte, ist, dass die Geschichte Denkanstöße liefert. Themen wie Verzicht, Schnelllebigkeit und Achtsamkeit spielen genauso wie die Frage, was im Leben wirklich Bedeutung hat, eine Rolle. Das Buch regt zu Gedankenexperimenten und zum Innehalten an.
Und das ist doch schon was!
Für Zwischendurch und zur Abwechslung ist der Roman auf jeden Fall eine unterhaltsame und nette Lektüre, die zum Nachdenken anregt.
Kein must-read 😉
3/5⭐️