Uhlman, Fred: Der wiedergefundene Freund

Diese berührende Novelle von gerade mal 105 Seiten, spielt 1932 und erschien erstmals 1971 in London.

Erzählt wird die Geschichte des 16jährigen Gymnasiasten Hans, Sohn einer mittelständischen jüdischen Arztfamilie, der sich unbedingt mit dem neuen Mitschüler Konradin, Sohn einer reichen deutschen Adelsfamilie, anfreunden möchte, weil er tief beeindruckt von dessen Auftreten und überdies recht einsam ist.

Es entsteht tatsächlich eine besondere und innige Freundschaft zwischen den beiden Jungs, die im Verlauf vieles zusammen unternehmen und sich mit bedeutsamen Themen auseinandersetzen.

Die Gesinnung von Konradins Mutter und die sich verändernde politische Lage in Deutschland bewirken, dass Tabus, Verrat, Skepsis und Misstrauen Einzug halten. Hut ab vor Hans, der die Selbstachtung hat und den Mut aufbringt, Konradin zu konfrontieren, was ein ehrliches und erschütterndes Bekenntnis und das Abkühlen der Freundschaft nach sich zieht.

Die Haltung Konradins und die Emigration von Hans tragen ihr Übriges zum Niedergang der Freundschaft bei.

Ganz am Ende, mit dem letzten Satz, vllt sogar nur mit dem letzten Wort der Novelle, wird der Leser verblüfft. Dieser letzte Satz, dieses letzte Wort ist eine Wucht. Eine m. E. grandiose Pointe, die mich gleichermaßen überrascht, geschockt und erfreut zurückließ.

Mir gefielen die schönen, ausführlichen und emotionalen Landschafts- und Naturbeschreibungen außerordentlich gut und der Autor schaffte es mit schlichten Worten, das Geschehen in Bilder und Filme zu verwandeln.

Es gelang mir mühelos, in das Innenleben von Hans einzutauchen. Gedanken und Gefühle werden
eindrücklich beschrieben. Ich konnte seine Sehnsucht, Konradin als Freund zu haben und seine Nervosität vor dem erstmaligen Besuch bei Konradin regelrecht selbst spüren.

Ich bekam einen guten Einblick in den damaligen Alltag der Heranwachsenden und war erschüttert von deren Manipulierbarkeit und Veränderung.

Ich bin sehr froh, diese Geschichte gelesen zu haben. Es ist eine ganz besondere und ergreifende Erzählung über ein persönliches Schicksal vor dem Hintergrund des politischen Zeitgeschehens rund um den 2. Weltkrieg.

Obwohl das Bändchen so schmal ist, fehlte mir nichts. Es werden zwar viele Zeiträume und Ereignisse übersprungen, aber ich habe den Eindruck, was der Autor erzählen wollte, hat er stimmig, berührend und packend rübergebracht.

5/5⭐️

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