Der Roman spielt in Südafrika und beginnt mit einem neugierig machenden ersten Satz, der mich sofort in die Geschichte gezogen hat: „Für einen Mann seines Alters, 52, geschieden, hat er seiner Ansicht nach das Sexproblem recht gut im Griff.“
Der weiße südafrikanische Protagonist David Lurie war zweimal verheiratet, hat eine Tochter und ist ehemaliger Professor für moderne Sprachen und nun außerordentlicher Professor für Kommunikationswissenschaften an der Cape Technical University in Kapstadt.
Er ist unzufrieden und unmotiviert, hat Literaturkritik satt, mag Kommunikationswissenschaften nicht, ist kein guter Lehrer und kommt bei seinen Studenten nicht gut an. Leidenschaftslos aber pflichtbewusst erledigt er seine Aufgaben.
Für Abwechslung sorgen zunächst die wöchentlichen Treffen mit der Prostituierten Soraya. Aber auch der Sex vermag seine Leidenschaft nicht zu wecken.
Erst nachdem diese Zweckbeziehung endet, erwacht etwas in ihm zum Leben: der Jagdtrieb. Der Wunsch zu erobern.
Wen er jagen und erobern möchte? Eine seiner Studentinnen.
Die dunkelhäutige Melanie.
Er weiß um das Verbotene und um den Irrsinn, aber „das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus“ (Sigmund Freud).
Das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Die Geschichte nimmt Fahrt auf.
David Lurie braucht eine Auszeit, die er sich bei seiner Tochter aus erster Ehe nehmen will. Wir lernen Lucy kennen, die alleine eine entlegene Farm bewirtschaftet.
Eine fesselnde, brutale, berührende Geschichte entwickelt sich. Atemlos, gebannt und gespannt blättert man die Seiten um und zwischendurch muss man immer wieder innehalten, weil so viele Themen zum Nachdenken anregen.
David Lurie handelt schändlich und seiner Tochter widerfährt etwas Schändliches. Wie kann mit der Schande umgegangen werden?
Coetzee erzählt diesen trostlosen und phasenweise schockierenden Roman völlig unaufgeregt, unpathetisch und schnörkellos. Die Sprache ist so karg wie das Leben des Professors, die Umgebung der Farm und Lucy‘s Leben nach dem einschneidenden Ereignis.
Für mich war der Roman gleichermaßen hervorragend wie erschütternd.
Übrigens: auch den Film kann ich wärmstens empfehlen.
4/5⭐️