Schoeters, Gaea: Trophäe

Dieses Buch hat mich von dem Zeitpunkt an nicht mehr losgelassen, als ich das Titelbild gesehen, die Buchvorstellung von Denis Scheck gehört und die Inhaltsangabe gelesen habe. Ich musste es einfach kaufen und ich musste es einfach lesen.

Jetzt, nach der Lektüre, kann ich nichts anderes sagen, als dass es sich gelohnt hat. Ich bin begeistert und kann jetzt schon sagen, dass „Trophäe“ sicherlich eines meiner Jahreshighlights werden wird, wenn nicht sogar DAS Jahreshighlight.

Das Buch beginnt im Hier und Jetzt: Nach einer langen Reise kommt der junge, talentierte und motivierte Dawid, der in seinem afrikanischen Stamm als Fährtenleser und Dolmetscher tätig war, in Amerika an. Das Flugzeug landet und Dawid erblickt zum ersten Mal Schnee.

Er wird wohl den Plan seiner Vorfahren ausführen: Woanders studieren, zurückkehren und sein Wissen in den Dienst der Gemeinschaft stellen, denn „so hat das hier schon immer funktioniert: was gesammelt wird, von der Nahrung bis zum Wissen, wird geteilt, damit alle davon profitieren.“ (Seite 110)

Erst jetzt beginnen das erste Kapitel und die eigentliche Geschichte in einer Art Rückblende.

Es ist eine Geschichte, die bereits zwei Monate zuvor stattgefunden hat.

Der steinreiche Amerikaner Hunter übt auf dem Schießstand mit seiner Doppelbüchse, einem richtig schweren Kaliber, für die morgige Großwildjagd im Nationalpark. Sein Jagdfreund und -leiter van Heeren ist mit dabei.

Hunter ist fit für die anstehende Jagd. Eine ganz besondere Safari steht bevor. Er hat dafür extra eine Jagdlizenz für ein Spitzmaulnashorn erworben, was den Naturschützern und Umweltaktivisten ein Dorn im Auge ist. Mit dem Spitzmaulnashorn will Hunter seine Big Five vervollständigen.

Am nächsten Tag ist es dann soweit. Hunter, van Heeren und einige Fährtenleser, darunter Dawid, machen sich auf den Weg, um das Nashornmännchen zu finden. Es dauert nicht lange und sie sind ihm auf den Fersen und kurze Zeit später „…sieht er es: Mitten auf einer Lichtung, kaum dreißig Meter von ihnen entfernt, knabbert ein schwarzes Nashorn an einem Strauch.“ (S. 20)

Doch als Hunter zielt, taucht aus dem nichts ein zweites Männchen auf. „Mit drei Schritten steht es zwischen ihm und seiner Beute.“ (S. 27)

Die Chance ist vertan und die Jäger machen sich vom Acker, denn „Die Jagd fortzusetzen, wenn das andere Nashorn in der Nähe ist, ist keine Option.“ (S. 29)

Hunter‘s Trophäe ist ihm entwischt, also geht’s am nächsten Tag erneut auf die Jagd und da wird es noch viel schlimmer, weil sein Nashorn vor seinen Augen von Anderen erlegt wird. Wilderer sind unterwegs!

Hunter brüllt, aber „es ist kein Schrei des Entsetzens oder des Mitleids, sondern der Urschrei eines Raubtiers, das um seine Beute gebracht wurde: Tierische Raserei!“ (S. 53)

Van Heeren bietet Hunter eine Entschädigung für die verpasste Gelegenheit an: Die Big Six.

Ein unmoralisches Angebot.

Ein unmenschliches Angebot.

Ein gewissenloses und verwerfliches Angebot.

Wird Hunter sich darauf einlassen?

„Dort, in dieser geräuschlosen Finsternis, fasst Hunter einen Entschluss. Langsam lässt er die Luft aus seinen Lungen entweichen, der Druck in seiner Brust nimmt ab, sein Herz beruhigt sich.“ (S. 103)

Mehr will ich zum Inhalt nicht sagen, denn ich möchte niemandes Lesevergnügen mindern.

Nur so viel:

Ich bin durch das Buch geflogen. Ich war berührt, sprachlos, fasziniert, erschüttert und verwundert.

Es war interessant, in ein ganz neues Thema einzutauchen und Einblicke in die Gedanken von Trophäenjägern und in die Sitten, Bräuche und Beweggründe der afrikanischen Stämme zu bekommen.

Die Gegenüberstellung von moderner Zivilisation und bereits modernisierter und gleichzeitig traditioneller Lebensweise afrikanischer Stämme war spannend.

Ich lernte viel Neues, z. B., dass Skorpiongift mit 9 Mio Euro pro Liter die teuerste Flüssigkeit der Welt ist und in der MS- und Krebstherapie eingesetzt wird.

Die Beschreibungen der außergewöhnlichen Fähigkeiten der Jäger der Stämme beeindruckten mich und die z. T. schöngeredeten, selbstherrlichen, perversen und verdrehten Ansichten der zivilisierten Jäger, verkörpert durch den unsympathischen Hunter, verursachten Gänsehaut auf meinen Armen.

„Trophäe“ ist ein Buch, das ich sicher nicht so schnell vergessen werde.

Gaea Schoeter hat einen radikalen, fesselnden und außergewöhnlichen Roman geschrieben. Ihre Naturbeschreibungen und die Tiefgründigkeit ihres Erzählens trafen mich mit einer Wucht, die eine Art Sog und Sucht erzeugte, immer weiter zu lesen.

5/5 ⭐️

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