Gardam, Jane: Mädchen auf den Felsen

Very british!

Jane Gardam, die Autorin von „Mädchen auf den Felsen“, wurde am 11. Juli 1928 in England geboren. Sie studierte Englisch, arbeitete lange als Bibliothekarin, später als Lektorin.

Mit 43 Jahren, nachdem ihr drittes Kind eingeschult worden war, schrieb sie ihr erstes Buch.

„God on the Rocks“ war ihr erster Roman, der 1978 veröffentlicht wurde und erst 2022 unter dem Titel „Mädchen auf den Felsen“ als deutsche Übersetzung erschien.

Bekannt wurde Jane Gardam in Deutschland mit ihrer Romantrilogie „Ein untadeliger Mann“, „Eine treue Frau“ und „Letzte Freunde“, die 2004, 2009 und 2013 in Deutschland veröffentlicht wurde.

„Mädchen auf den Felsen“ spielt im Sommer 1936 in einer englischen Küstenstadt und es geht u. a. um Glaube, Religion, Scheinheiligkeit, Klassengrenzen und Rebellion bzw. Versuch von Ausbruch und Befreiung aus engen und rigiden Verhältnissen.

Die etwas altkluge und rebellische Margaret Marsh, 8 Jahre alt, hat gerade ein Brüderchen bekommen. Sie hat nicht besonders viel übrig für ihr Geschwisterchen, das aussieht „…wie ein Schwein“ (S. 16) und dessen Rücken nach dem Stillen „…wie der Rücken einer ofenfertigen Ente…“ (S. 15) über der Schulter ihrer Mutter hängt.

Damit Margaret nicht zu kurz kommt, darf sie jede Woche einen Ausflug mit Lydia, dem von ihr geliebten lebensfrohen Haus- und Kindermädchen machen.

Jeden Mittwoch geht es in einen Badeort ans Meer. Sie entdecken einen privaten Park und Margaret stößt auf ihren Streifzügen durch dieses Anwesen auf ein Herrenhaus.

Jedes Mal beobachtet sie einen bärtigen Mann mit Panamahut, der vor einer Staffelei sitzt und malt und eines Tages sieht sie eine ganze Truppe gut gelaunter, alter und sonderbarer Menschen aus der Villa kommen.

Schon bald wird klar, dass das alte Landhaus samt riesigem Anwesen Rosalie gehört, die daraus eine Mischung aus Erholungsheim für Künstler und psychiatrischer Anstalt gemacht hat.

Rosalie ist eine alte pflegebedürftige Frau, die einst verhindert hat, dass ihr Sohn Charles und Elinor, Margret‘s Mutter, ein Paar werden.

Margrets Eltern Kenneth und Elinor sind Mitglieder der „Primal Saints“. Ihr Vater, ein Bankmanager, ist ein rigoroser und stocksteifer Prediger in dieser Glaubensgemeinde.

Streng gläubig, fast sektiererisch und die Bibel wörtlich nehmend, sträuben sich die Eltern, in erster Linie der Vater, gegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse, was den Beginn des Lebens und die Evolution anbelangt. Jeglicher Luxus ist Sünde, von Alkohol und Zigaretten ganz zu schweigen.

Die dralle Lydia mit ihrer derben Sprache, die eines Tages mit einer Zigarette im Mundwinkel vor der Tür stand, bringt mit ihrer lebendigen und lebensfrohen Art Schwung in den bigotten und langweiligen Alltag der Familie Marsh und stellt ihn gründlich auf den Kopf.

Aber nicht nur der Alltag verändert sich, sondern auch die 36-jährige Elinor Marsh, die vor Jahren aus Liebe zu ihrem Mann dessen Glauben angenommen hat und konvertiert ist.

Jane Gardam spielt mit Zeitsprüngen und Erzählperspektiven. Einen großen Teil der Geschehnisse löst die Autorin erst zwölf Jahre später im letzten Kapitel auf, nachdem Margaret zu einer jungen Frau herangewachsen ist.

Jane Gardam beobachtet und analysiert genau, beschreibt mit einfachen Worten und erzählt einfühlsam, detailreich und lebendig. Feine Ironie, schöne Bilder, Witz und bitterböser Humor machen die Lektüre zu einem kurzweiligen Lesevergnügen, das zwischen Tragik und Komik pendelt.

Für mich hat es sich auf jeden Fall gelohnt, dieses Buch zu lesen, obwohl es schon vor Jahrzehnten erstveröffentlicht wurde.

Es ist zeitlos und gelungen.

Es ist mehr als gute Unterhaltung.

Es ist große Erzählkunst.

5/5⭐️

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