Der historische Roman „In Zeiten des Tulpenwahns“ spielt in Haarlem / Niederlande zu Beginn des 17. Jahrhunderts.
Mit Beginn der Lektüre beobachten wir den Gärtner Nicolaes, der mit seinem 6-jährigen geliebten Töchterlein Grietje im Schlepptau durch seinen Garten zum Tulpenbeet geht.
Der Tulpenliebhaber Nicolaes taucht dort in die Schönheit der Blüten ein und verspürt Schmerz und Liebe, als ihn sein geliebtes Kind aus seiner Versunkenheit herausreißt.
Schmerz um seine bei einem Brand verstorbene Frau und Liebe zu dem kleinen Mädchen, das ihm geblieben ist.
Dann machen wir einen Zeitsprung nach vorn und erleben mit, wie die inzwischen 16-jährige Margriet sich auf den Weg zu ihrer ersten Arbeitsstelle in einer Bleicherei macht.
Auf diesem Weg begegnet der zurückhaltenden und arglosen Margriet eine dreiköpfige Flüchtlingsfamilie aus Frankreich, die sich in ihrer Nachbarschaft niederlassen wird.
Jacques, der etwa gleichaltrige Sohn wird ihr schon bald ein unbehagliches Gefühl bereiten. Zurecht, wie wir miterleben werden!
Auch andere Männer werden das Gefühlsleben der zu einer schönen jungen Frau herangewachsenen Margriet auf den Kopf stellen.
Und Frans, der junge Graf, wird sich sogar heftig und erfolgreich um sie bemühen…
Nicolaes wird bewusst, dass er sich langsam aber sicher um die Mitgift seiner Tochter kümmern muss und so wird aus dem Gärtner und Hobbytulpenzüchter schließlich ein Tulpenhändler, der sich auf riskante Spekulationsgeschäfte einlässt und den tiefste Verzweiflung zu einer Tat treibt, die niemand von ihm vermutet hätte.
Susanne Thomas schreibt ausdrucksstark, poetisch und atmosphärisch über das Goldene Zeitalter in Holland, über eine berührende Vater-Tochter-Beziehung und über eine tragische Liebesgeschichte.
Sie erzählt lebendig und packend vom Handel mit
Tulpen, über gesellschaftliche Unterschiede aufgrund sozialer Herkunft und von Standesgrenzen und Standesdünkel.
Wir lesen von Machenschaften, Racheakten und Intrigen sowie über Hoffnungslosigkeit, die seltsame bzw. verhängnisvolle Blüten treibt.
Eigentlich ist es unfassbar, dass Menschen damals Unsummen ausgaben oder sogar alles aufs Spiel setzten, um bestimmte Tulpenzwiebeln zu ergattern.
Es ist mehr als Faszination, Ehrgeiz und Streben.
Es ist eine Gier, die wahnhafte Ausmaße annimmt.
Aber wie die Geschichte der Menschheit zeigt, bleibt und blieb es nicht bei Tulpen, die solch eine Bewegung – ein Aufblühen und einen Niedergang – auslösten bzw. auslösen.
Immer wieder gibt es Situationen, die dazu führen, dass der gesunde Menschenverstand aussetzt und Menschen bereit sind, ihr Schicksal herauszufordern.
Besonders gut gefiel mir, im Verlauf der Lektüre zu erfahren, in welcher Beziehung sämtliche Protagonisten zueinander stehen und einen Einblick ins Dorfgeschehen zu bekommen.
Am Ende betrachtet man ein farbenprächtiges Bild, das sich aus vielen Puzzleteilen zusammensetzt.
Die Metaphern und Vergleiche aus der Malerei passen dabei wunderbar zur Gesamtkomposition.
Ich musste immer wieder staunen, denn überraschende, ergreifende und tragische Wendungen verblüfften mich und führten zu einem fulminanten Ende, das ich zu Beginn niemals erwartet hätte.
Susanne Thomas erzählt eine außergewöhnliche Geschichte.
„In Zeiten des Tulpenwahns“ ist ein leise beginnender und immer spannender werdender Roman, den ich sehr gern weiterempfehle.
5/5 ⭐️
🇳🇱