Nugent, Liz: Auf der Lauer liegen

Es ist November 1980, wir befinden uns in Irland.

Schon auf den ersten beiden Seiten wird der Mord an Annie Doyle geschildert.

Um die Täter wird kein Geheimnis gemacht: Andrew und Lydia Fitzsimons erwürgen und erschlagen die 22-jährige heroinabhängige Frau, die sich vermutlich an ihrem Geld bedient hat bzw. ihnen Geld schuldet.

Selbst dass die soeben Ermordete im riesigen Garten der Familie Fitzsimons begraben wird, erfahren wir schon im ersten Kapitel, das wie alle folgenden mit dem Vornamen eines der Protagonisten überschrieben ist und aus dessen Sicht erzählt wird.

Lydia und Andrew Fitzsimons sind schon ein seltsames Gespann, das mit seinem Sohn Laurence ein riesiges Anwesen im Süden von Dublin bewohnt.

Lydia, eine dominante, herrische, unterkühlte und verwöhnte Frau, die ihren Sohn Laurence ähnlich vergöttert, wie einst ihr Vater sie vergötterte, hat vor 22 Jahren auf Wunsch ihres Vaters den konfliktscheuen und unterwürfigen Andrew geheiratet.

Andrew war damals der Referendar ihres Vaters, der als Anwalt eine eigene Kanzlei führte. Inzwischen ist Andrew ein angesehener und gut verdienender Richter am Strafgericht. Trotz des üppigen Einkommens steckt das Paar seit einem Jahr in finanzieller Not.

Das zweite Kapitel wird von Karen erzählt. Sie ist die jüngere, unauffällige, fleißige und hübsche Schwester der seit den Teenagerjahren schwer erziehbaren, unangepassten und rebellischen Annie Doyle mit der Hasenscharte.

Karen berichtet von dem gemeinsamen Aufwachsen mit ihrer Schwester sowie von ihrer anfänglichen Verwirrung und späteren Sorge, nachdem Annie so plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist.

Die beiden ungleichen Schwestern hatten nämlich trotz aller Unterschiede und Konflikte eine liebevolle und enge Verbindung zueinander.

Laurence, den übergewichtigen 17-jährigen Sohn der Täter, lernen wir im nächsten Abschnitt kennen. Aufgrund der finanziellen Probleme seiner Eltern ist er seit Kurzem auf einer öffentlichen Schule. Er wird dort von seinen Mitschülern gemobbt. Die sich entwickelnde Freundschaft mit der aufgeweckten Helen dämpft sein Unglücklichsein etwas.

Laurence belauscht eines Tages die Befragung seines Vaters durch einen Detective und ist regelrecht geschockt, als er die Lügen seines Vaters vernimmt.

Die folgenden Kapitel werden, wie oben bereits erwähnt, immer aus einer anderen Sicht erzählt. Mal berichtet Laurence, der Sohn der Täter, mal Karen, die Schwester der Getöteten und mal Lydia, eine der Mörder.

Wir erfahren u. a., dass Laurence mit seiner Neugierde, Ahnung und Zerrissenheit eine ganz zentrale Bedeutung hat, dass Andrew, sein Vater psychisch und Körper zerfällt und dass Lydia, seine neurotische Mutter eine überaus kühle, berechnende, intrigante und manipulative Seite hat.

Mehr verrate ich nicht.

Es wäre zu schade, auch nur einen Moment der Spannung vorwegzunehmen. Denn spannend und wendungsreich ist die Geschichte zweifellos. Ich flog nur so durch die Seiten und kurz vor Ende stockte mir doch tatsächlich der Atem aus Fassungslosigkeit vor so viel boshaftem, selbstsüchtigem und letztlich psychopathischem Verhalten.

Liz Nugent hat nicht nur einen unglaublich packenden Plot mit unzähligen Überraschungen entworfen. Sie schreibt frisch und lebendig und schafft es, den Leser emotional zu fesseln. Detailgenau erfasst und beschreibt sie psychologische Aspekte, so dass der Sog in die Geschichte auch dadurch entsteht, dass alles so nachvollziehbar und glaubwürdig wirkt.

Dieser Psychothriller ist grandios! Abgründig, böse, makaber und schlüssig.

5/5 ⭐️

🇮🇪

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