Weissman, Joshua: Textur über Geschmack

Das Buchcover mit seinen fleischwerfenden Köchen im Hintergrund und dem vor einem Berg Pommes Frittes sitzenden Joshua Weissmann wirkt auf mich gleichermaßen kitschig wie extrovertiert.

Die tiefgründige, offenherzige und berührende Widmung des Autors weicht meine Skepsis aufgrund des Titelbildes auf und erweckt zusammen mit der Inhaltsangabe meine Neugierde.

Für mich überraschend unüblich und interessant gliedert Joshua Weissmann sein Buch nicht nach Lebensmitteln oder Menügängen, sondern in die Rubriken knusprig, bissfest, luftig, cremig, flüssig und fettig (am Buchende findet sich auch noch ein alphabetisches Register).

Nachdem der Autor einleitend einige Seiten lang auf die Begriffe Textur und Geschmack eingeht, stellt er seine o. g. Rubriken, die nichts anderes als die sechs Grundtypen der Textur sind, vor.

Zuerst dachte ich: „Hmmm… spielt es wohl wirklich eine Rolle für mich, so theoretisch in diese Sphären einzutauchen?“, aber schon nach wenigen Absätzen wuchs meine Begeisterung, denn es machte mir Spaß, mich mal theoretisch und ganz bewusst mit Eindrücken auseinanderzusetzen, denen ich mehrmals täglich ganz selbstverständlich, ohne ihnen jedoch bewusst Beachtung zu schenken, begegne.

Und ja, Joshua Weissmann trifft meines Erachtens einen wahren Kern, wenn er schreibt, dass die Textur eines Gerichtes neben seinem Geschmack leider allzu oft ein kümmerliches Dasein fristet, während sie doch ganz entscheidend ist, wenn es darum geht, dass das Gericht richtig zur Geltung kommt.

Textur beeinflusse den Geschmack und sei das gewisse Etwas, das ein Gericht nicht nur gut schmecken lasse, sondern das Leben lebenswert mache. Eine kühne Aussage, aber ich kann nun nachvollziehen, was Joshua Weissmann damit meint.

Er bringt es auf den Punkt, wenn er formuliert: „Was den Durchschnittskoch von den Spitzenköchen wirklich unterscheidet, ist nicht nur der Geschmack…den eigentlichen Unterschied macht ihr Umgang mit der Textur.“ (S. 26)

Ich möchte schon an dieser Stelle dazu ermuntern, sich den überzeugenden und entgegen meiner Befürchtung überhaupt nicht langweilen Text zu Gemüte zu führen.

Nachdem man sich damit befasst hat, wird man seine Mahlzeiten mit anderen Augen sehen bzw. sein Essen anders bewerten und genießen. Man versteht, dass Textur und Geschmack die beiden Seiten einer Medaille sind.

Ich empfand es als kurzweilig und interessant, Persönliches und Biographischen von Johua Weissmann zu erfahren. Er erzählt von einer Diät, von einem erhellenden Italienaufenthalt, von frustrierenden Tätigkeiten in mittelmäßigen Häusern und von befriedigenden Erfahrungen in Top-Restaurants.

Nach circa 30 Seiten geht’s dann los mit den einzelnen Grundtypen der Textur, die alle gleich aufgebaut sind. Zunächst gibt’s Theorie, dann Praxis, sprich Rezepte.

Mit „knusprig“ fängt er an, dann geht’s weiter mit „bissfest“, „luftig“, „cremig“, „flüssig“ und „fettig“.

Ich habe in jeder Rubrik ein Rezept nachgekocht und war mit jedem Ergebnis sehr zufrieden.

Der Nashibirnen-Salat mit Salami und Pistazien (knusprig) ist originell, fix zubereitet und schmeckt lecker.

Die schokoladigen Baseball-Cookies mit Pekannüssen (bissfest) sind köstlich und einfach zuzubereiten.

Im Kapitel „Luftig“ habe ich mich an das „Dutch Baby“ gemacht. Was das ist? Ein Pfannkuchen, in dessen Teig Ahornsirup ist und der getoppt wird mit Burrata, frittierten Kapern, Honig, Salz und Pfeffer. Klingt abenteuerlich, schmeckt köstlich.

Die Crème brûlée mit getrockneten Lavendelblüten (cremig) habe ich soeben zubereitet. Sie muss noch über Nacht in den Kühlschrank und morgen, wenn die Gäste da sind, bestreue ich die Cremes mit Zucker und lasse sie unter dem Grill karamellisieren. Ich habe den Verdacht, dass das ein äußerst feiner Nachtisch wird.

Die Misosuppe mit karamellisierten Zwiebeln, Shiitakepilzen und Tofu (flüssig) ist sensationell und Kates Zitronenhähnchen mit eingelegten Zitronen und Knoblauch (fettig) werde ich sicherlich noch oft zubereiten.

Es sind noch einige Rezepte enthalten, die ich gerne ausprobieren möchte. Natürlich gibt es auch welche, die mich nicht reizen, aber das wird wohl in jedem Kochbuch so sein.

Unterm Strich kann ich „Textur über Geschmack“ von Joshua Weissmann jedem empfehlen, der nicht nur äußerst leckere Rezepte sucht, sondern auch seinen Horizont erweitern will und vor unterhaltsam und kurzweilig aufbereiteter Theorie nicht zurückschreckt.

5/5⭐️

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