In diesem bewegenden, berührenden und spannenden Roman geht es um die vielbeschäftigte, engagierte, gewissenhafte und gesellschaftlich anerkannte 49-jährige Alma Revel, die als Ermittlungsrichterin in der Abteilung Terrorismusbekämpfung des Pariser Justizpalastes tätig ist.
Die Ich-Erzählerin Alma erzählt davon, wie 2015 die Pariser Attentate (Charlie Hebdo, Montrouge, Hyper Cacher, Stade de France, Pariser Cafés und der Konzertsaal Bataclan), und eine Affäre ihr Leben zutiefst erschütterten.
Nach 25 Jahren Ehe mit einem Schriftsteller, der bereits in jungen Jahren den begehrten Prix Goncourt erhalten hatte, danach aber sukzessive scheiterte, begann Alma im Jahr dieser grauenvollen Attentate eine Liebesgeschichte mit einem Strafverteidiger.
Aber nicht mit irgendeinem Strafverteidiger, sondern mit genau demjenigen, der den 23-jährigen Mann, einen Syrien-Rückkehrer, verteidigte, über den sie richten sollte.
Schon seit Jahren war Almas Ehe, aus der 3 Kinder hervorgingen, im Verfall begriffen. Ihre Sehnsucht nach Sinnlichkeit und Lebendigkeit, ihre private Unerfülltheit und innere Leere mündeten letztlich in der Liebelei mit diesem Anwalt, der voller Überzeugung auf die Freilassung des Angeklagten pochte.
Zwei Handlungsstränge wechseln sich ab.
Im einen lernen wir Alma, ihr Leben und ihre Gedanken kennen. Wir lesen vom Scheitern ihrer Ehe, von ihrem kräftezehrenden und gefährlichen Berufsalltag in der Anti-Terror-Abteilung und vom Aufkeimen einer neuen Liebe, die aufgrund der Verquickung von Privatleben und Beruf nicht nur belebend und wohltuend, sondern auch sehr belastend war.
Im anderen lesen wir über den inhaftierten Abdeljalil. Wir werden Zeuge eines Gesprächs mit seiner Frau Sonja und v. a. des Verhörs durch die Richterin. Der Syrien-Rückkehrer Abdeljalil wird verdächtigt, ein Terrorist zu sein, bzw. terroristische Anschläge in Frankreich zu planen.
Mit den jungen Erwachsenen Abdeljalil und seiner Frau Sonja wird dem Leser ein Beispiel vor Augen geführt, wie der IS seine jungen Anhänger rekrutiert, die meist schwierige, belastende, gewaltreiche oder defizitäre Erfahrungen in ihrem Aufwachsen gemacht haben und deshalb sehr zugänglich sind.
Die beiden Stränge werden zusammengeführt, indem Alma uns die Lebensgeschichten der beiden jungen Leute erzählt und uns Einblick in deren stundenlange Vernehmungen und ihre Gedanken dazu gibt.
Wie eine Psychoanalytikerin, geht die Ermittlungsrichterin Alma aus Überzeugung in die frühe Kindheit der Angeklagten zurück, um Zusammenhänge zu begreifen.
Die Schriftstellerin Karine Tuil gibt uns einen extrem interessanten Einblick in den Alltag einer Ermittlungsrichtern, die Arbeit in der Terrorbekämpfung, die Anfälligkeit zur Rekrutierung und die Gedanken und Haltung der Attentäter.
Die Geschichte ist gleichermaßen tiefgründig, bewegend, berührend und erschütternd wie hochinteressant, dramatisch, spannend und fesselnd.
Obwohl der Roman „Diese eine Entscheidung“ harte Kost ist, ist er ein Pageturner, den ich in wenigen Tagen gelesen habe.
Einer der Sätze, die mir ganz besonders gefallen, ist:
„Das Risiko, eine falsche Entscheidung zu treffen, ist belanglos im Vergleich zum Dauerstress durch Unschlüssigkeit.“ (S. 218)
5/5 ⭐️
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