Wayne, Jemma: Der silberne Elefant

Wir lernen in diesem beeindruckenden und wunderschön bunt gestalteten, 224-seitigen Debütroman von Jemma Wayne drei starke und völlig unterschiedliche Frauen kennen, deren Lebenswege und Lebensgeschichten sich überlappen und miteinander verflechten.

Die Autorin Jemma Wayne verbindet die Schicksale dieser drei interessanten Frauen auf sehr bewegende und kurzweilige Art und Weise.

Drei Biografien und Erzählstränge werden von ihr scheinbar mühelos miteinander verwoben und das Ergebnis ist eine packende und bewegende Geschichte, die in England spielt.

Eine der drei Protagonistinnen ist die 56-jährige wohlhabende, etwas starrköpfige und perfektionistische Witwe Lynn, die bereits zwei erwachsene Söhne hat, an einer schweren und unheilbaren Erkrankung leidet und allein in einem großen Haus lebt. Obwohl ihre Kinder regelmäßig zur tea-time vorbeikommen, fühlt Lynn, die einst große Pläne hatte und von einer Kartiere träumte, sich bisweilen einsam. Vor dem Hintergrund ihres letzten Lebensabschnitts macht sie sich viele Gedanken über ihr Dasein. Sie hadert mit ihrer Vergangenheit, fragt sich manchmal, ob sie den richtigen Weg gegangen ist und ob es richtig war, für ihre Familie ihre Träume zu begraben und ihre Wünsche aufzugeben.

Vera, eine bildhübsche Karrierefrau mit bewegter und düsterer Vergangenheit, ist die zweite im Bunde. Sie ist mit Luke, einem von Lynns Söhnen verlobt und möchte das belastende Kapitel Vergangenheit ein für allemal abschließen. Luke ist, wie seine Mutter, sehr gläubig. Über ihn findet auch Vera immer mehr den Weg zum Glauben an Gott, der ihr Halt gibt.

Die dritte Hauptfigur ist Emilienne. Sie kommt ursprünglich aus Ruanda, erlebte dort hautnah die Völkerschlachten, den Völkermord und die verheerenden Gewalttaten des Krieges und verlor dabei ihre gesamte Familie. All das prägte und traumatisierte sie und hinterließ Schmerzen, tiefe Wunden und Narben. Nach all diesen erschütternden Erlebnissen kommt sie als Flüchtling zu ihrer Tante in London, die schon viel früher aus dem Krisengebiet geflüchtet war. Dort lebt sie drei Jahre lang, wobei das Verhältnis zwischen Tante und Nichte mehr schlecht als recht ist. Schließlich zieht sie in eine kleine und bescheidene Einzimmerwohnung und bestreitet ihren Unterhalt mit diversen Putzstellen.

Emilienne lebt ein recht tristes, einfaches und einsames Leben, in dem die grauenvolle Vergangenheit sie immer wieder in Form von Erinnerungen und Alpträumen heimsucht.

Eines Tages bei der Arbeit in einem Bürogebäude entdeckt sie ein post-it an einem Computer. Darauf liest sie, dass Pflegekräfte gesucht werden, die sich um pflegebedürftige Menschen in ihrer häuslichen Umgebung kümmern. Die Vorstellung, ihrem Leben eine Wendung und ein neues Ziel zu geben, reizt sie und sie absolviert eine Pflegeausbildung.

Und wen überrascht es? In ihrer Funktion als Pflegerin trifft sie auf Lynn.

Der Roman beinhaltet oder streift viele Themen, wirkt dabei aber nicht überladen.

Es geht z. B. um Weiblichkeit, die Rolle der Frau und Selbstverwirklichung, um Zusammenhalt, Freundschaft, Vertrauen und Selbstvertrauen.

Die Autorin vermittelt die Bedeutung des sich Öffnens, Mitteilens und Einlassens sowie die Auseinandersetzung mit der Innenwelt und seinen inneren Konflikten als Voraussetzung für inneres Gleichgewicht und Zufriedenheit.

Geheimnisse werden gelüftet und es geht um Wunden, Narben und Traumata. Auch der Glaube zu Gott wird unaufdringlich thematisiert. Die Gräueltaten in Ruanda werden erschütternd, anschaulich und schonungslos geschildert.

Die Protagonistinnen kamen mir sehr nahe und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen, da die Autorin deren Innenleben sowie die Dialoge, die sie miteinander führten nachvollziehbar, stimmig und einfühlsam schildert.

Jemma Wayne erzählt sprachgewandt und unverblümt, feinfühlig und zart, eindringlich und eindrücklich eine außergewöhnliche und kurzweilige Geschichte, die berührt und nachhallt.

Daran dass die Autorin detailliert recherchiert hat, besteht für mich kein Zweifel.

Ich mochte die Sprache, die Charaktere und die Themen.

„Der silberne Elefant“ ist ein Hingucker, der berührt, inhaltlich überzeugt und mit einem unvorhergesehenen Ende überrascht.

Große Leseempfehlung!

4/5⭐️

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