Altschäfer, Martina: Brandmeldungen

Dieses schmale Bändchen ist ein kleines Juwel, das viele Überraschungen bereithält.

Schon rein äußerlich macht es was her. Es ist ein elegantes, schmales, gebundenes Buch mit einem roten Lesebändchen. Auf dem Cover ist ein Bild des von der Künstlerin 2017 angefertigten Holzschnitts „Hund“ auf hellgrauem Grund abgebildet.

Bereits mit „Andrin“ hat mich die 1960 geborene Schriftstellerin positiv überrascht.

Mit ihrem abwechslungsreichen und phantasievollen Kurzgeschichtenband hat sie mich nun überzeugt.

Sie hat das Talent, ihre Leser im Nu mitten in die Erzählung hinein zu ziehen und sie gebannt darin zu halten, bis sie schließlich wieder auftauchen müssen, weil die Geschichte zu Ende ist.

Acht völlig unterschiedliche Erzählungen verschaffen ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Ich wusste nicht, welche Art von Texten auf mich zukommt und so war ich in „Brandmeldung“ einigermaßen überrascht, denn ich habe nicht mit einer skurrilen Geschichte von einem Auto gerechnet, das in einem Wohnungsflur steht. Der Text liest sich wie der Traum oder die Phantasie eines Kindes, dessen Eltern nicht daheim sind.

In „Die Abseitsfalle“, meiner Lieblingsgeschichte, haben Freundinnen für die Sommerferien ein Forschungsprojekt geplant. Es geht dabei um einen mysteriösen Mann ohne Schuhe, der plötzlich in der Stadt auftaucht und deren Bewohner aufrüttelt. Die Mädchen observieren den sogenannten Piraten, der irisches Bier statt Rum trinkt und wollen so herausfinden, was es mit diesem Fremden auf sich hat.

In „Alpenpassage“ reiten Mutter und Tochter ins Tal hinab. Im Zentrum der nächsten Stadt passieren sie auf dem Rücken ihrer Pferde ein Tor, das sie auf den prächtigen, dicht mit Menschen bevölkerten Innenhof eines eindrucksvollen und dekorativen Gebäudes führt und was da passiert, ist irgendwie schräg.

Die recht sonderbare Geschichte „Der fliegende Hund“, in der Wilpert tierische Geburtstagsgeschenke macht, war die einzige, mit der ich nicht so viel anfangen konnte, dafür war „Die zukünftige Schwiegermutter“, in der demonstriert wird, wie man mit wenigen Fragen und Bemerkungen sein Gegenüber einschüchtern und manipulieren kann, umso amüsanter und interessanter.

„Nach Süden“ erzählt das wundersame Ende eines nicht besonders gelungenen Urlaubs und in „Schwarzer Kater“ stört ein eindringlich miauender Kater eine Malerin bei ihrer Arbeit. Nach ihrer barschen Zurückweisung fährt der Vierbeiner sämtliche Geschütze auf und das Ende ist ganz in seinem Sinn.

Die letzte Erzählung, „Der Pekinese“ hat mich sehr berührt, denn ein Fremder, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht und das Haus beobachtet, hat gute Gründe für sein Tun.

Es sind allesamt sonderbare, fantastische, verträumte, originelle, surreale, skurrile, märchenhafte und berührende Geschichten.

In jeder stößt man auf eine Wendung, mit der man nicht gerechnet hat. Man wird von Pointen überrascht, die einen schmunzeln oder staunen lassen bzw. zum Nachdenken bringen.

Ich empfand viele der Geschichten wie einen Traum, den der Träumer seiner Psychoanalytikerin erzählt, um sich anschließend durch freies Assoziieren gemeinsam einen Reim darauf zu machen.

Martina Altschäfer hat ihre tollen Ideen unaufgeregt, sprach- und bildgewaltig umgesetzt und fesselnd erzählt. Sie fokussiert einen kleinen Ausschnitt im Leben des oder der jeweiligen Protagonisten und erzählt dann anschaulich, prägnant und fesselnd. Sie bringt die Dinge in Windeseile auf den Punkt, schreibt lebendig und flott, manchmal ironisch und gewitzt.

Dieses außergewöhnliche und besondere Werk wird noch aufgewertet und bereichert durch wunderschöne Zeichnungen und Textcollagen aus Zeitungsschnipseln, alles Kunstwerke der Autorin. Besonders beeindruckt hat mich ihre Zeichnung von einem sitzenden Mann, den sie mit nur wenigen Strichen skizziert hat; genauso wie sie ihre Geschichten mit nur wenigen Worten und Sätzen skizziert und auf den Punkt bringt. Chapeau!

Die Künstlerin hat mich mit Andrin, Brandmeldungen, ihren Zeichnungen und ihren Textcollagen gewonnen.

Ein Geheimtipp!

5/5⭐️

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